Die Seniorenbüros NRWs waren in den vergangenen Monaten mit beispiellosen Herausforderungen konfrontiert. Nach einer ersten „Schockstarre“ entwickelte sich vielerorts durch pragmatisches und kreatives Engagement fast so etwas wie eine neue Normalität. Spätestens mit Blick auf die aktuell steigenden Infektionszahlen stellt sich die Frage, wie ältere Menschen risikoarm unterstützt werden können. Unsere Mitglieder haben uns Bericht erstattet: Welche Schwierigkeiten gab und gibt es für die Seniorenarbeit? Wie sind sie damit umgegangen? Und was kann man aus den gemachten Erfahrungen lernen, um auch in den kommenden Monaten weiterhin zu einem gesunden und selbstbestimmten Leben im Alter beizutragen?
Neues Arbeiten in Zeiten von Corona

Zu Beginn der Pandemie konnten die Seniorenbüros NRWs offenbar nur schwer mit der neuen Situation umgehen. 93,3% der Befragten gaben an, dass sie ihre Angebote eher stark bis vollständig einschränken mussten. Rund ein halbes Jahr später sinkt dieser Anteil auf 53,3%. Die Befragten haben sich den neuen Rahmenbedingungen zwar ein Stück weit anpassen können, doch zeigt sich noch immer ein erheblicher Einfluss der Infektionsschutzmaßnahmen auf ihren Handlungsspielraum.
Wenig überraschend wurden hier Kontaktbeschränkungen als große Schwierigkeiten genannt. Das erhöhte Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs im Alter machte gemeinwesenorientierte Seniorenarbeit mancherorts nur schwer umsetzbar. Der soziale Austausch, der als zentral für die Arbeit gilt, konnte so zumindest vorerst nicht oder nur stark eingeschränkt stattfinden. Man musste neue Kommunikationswege suchen, um mühsam aufgebaute Netzwerke aufrechterhalten zu können. Hier erwies sich der Auf- bzw. Ausbau von z.B. telefonischen Kontaktmöglichkeiten als enorm wichtig. Aber auch neue digitale Zugänge oder aber direkte Anschreiben per Brief halfen dabei, weiterhin Unterstützung leisten zu können. Es galt und gilt, aktiv Alternativen für weggefallene Angebote und Kommunikationskanäle zu entwickeln.

Der Risikostatus von Menschen ab ~55 Jahren prägt die Arbeit der Seniorenbüros in doppelter Hinsicht. Einerseits sehen die Befragten ihre Zielgruppe zu 86,7% zurückhaltender als noch vor Pandemiebeginn. Andererseits sank auch die Einsatzbereitschaft der ehrenamtlich Engagierten deutlich. 73,3% Prozent nahmen auch hier Sorgen wahr, die ihre Arbeit erschwerten. Trotz der Schwierigkeiten für die eigene Arbeit wird die pauschalisierte Zuschreibung eines Risikostatus grundsätzlich positiv gewertet. 80% der Befragten finden sie (eher) sinnvoll.
Einbindung in Versorungsstrukturen und regionale Eigenarten

Die Kontaktbeschränkungen waren auch deshalb für die befragten Seniorenbüros problematisch, weil oft lange unklar blieb, wie man ihnen angemessen begegnen kann bzw. darf. Etwa die Hälfte (55,2%) gab an, in der Umsetzung von Hygienemaßnahmen (eher) an Vorgaben gebunden zu sein. Hier kam es z.T. zu Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den verschiedenen regionalen Akteuren. Einige Befragte beklagten, dass die Entscheidungsprozesse für sie intransparent waren und sie lediglich auf Anweisungen reagieren konnten statt selbst proaktiv zu gestalten.

Doch scheint das Zusammenspiel mit anderen Akteuren im Allgemeinen weitgehend erfolgreich zu funktionieren. 73,4% der Befragten fühlen sich von Ihren Kolleg*Innen vor Ort (weitestgehend) berücksichtigt. Bei 59,6% der Seniorenbüros kam es gar zu aktiven Kooperationen. Beispielhaft wurden hier etwa Einkaufsdienste genannt, in denen die Engagierten aus den Büros in Zusammenarbeit mit Gesundheitsämtern die Versorgung von Menschen aus der Risikogruppe sicherstellten.
Die Ergebnisse lassen zudem die Vermutung aufkommen, dass es hier einen Unterschied zwischen ländlichen und (groß-)städtischen Seniorenbüros gibt. Während Seniorenbüros aus den Ballungszentren NRWs vergleichsweise stark in die lokalen Strukturen eingebunden zu sein scheinen, kann und muss man auf dem Land selbst aktiver werden. Dies schlägt sich auch auf die Einschätzung der aktuellen Situation nieder: je kleiner die Stadt desto weniger fühlen sich in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Es scheint, als stünden in (groß-)städtischen Regionen zwar potentiell mehr Ressourcen zur Verfügung, doch gleichzeitig gibt es auch mehr Abstimmungsbedarf und -schwierigkeiten, die die tatsächliche Umsetzung erschweren.
Digitalisierte Zugänge als Alternative für Präsenz?

Die Digitalisierung von klassischen Präsenzangeboten erscheint in der Theorie als sinnvoller Ansatz, um auch angesichts von Kontaktbeschränkungen aufgebaute Netzwerke pflegen zu können. Und tatsächlich gaben 53,3% der Befragten an, ihre Angebote (teilweise) digitalisiert zu haben. Die Ergebnisse lassen vermuten, dass der Impuls dabei aus den Seniorenbüros selbst stammt und weniger auf eine starke Nachfrage seitens der Zielgruppe zurückgeht: 81,5% der Befragten sehen nur eine schwache bzw. gar keine Nachfrage nach digitalisierten Angeboten. Sowohl die ausführlicheren Gespräche zur Vorbereitung der Umfrage als auch die Antworten zur Frage nach dem Erleben von Digitalisierung deuten darauf hin, dass der Umgang mit neuen Technologien sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Während die einen eher die Erleichterung bzw. Ergänzung der eigenen Arbeit sehen, rücken die anderen eher die Befremdlichkeit oder Überforderung in den Vordergrund. Einige merken an, dass sie in der Umsetzung an z.B. die Ausstattung der Kommune gebunden sind und nicht nach eigenen Vorstellungen gestalten können. Es zeichnen sich aber auch Lernprozesse ab: die aus der Not geborenen digitalen Angebote überforderten einige Befragte zu Beginn, doch mit der Zeit wurde die zusätzliche Belastung mehr und mehr zur Erleichterung. Manche gehen sogar noch weiter und beschreiben die Digitalisierung als einzige Möglichkeit, in Pandemiezeiten sinnvolle Maßnahmen zu entwickeln.
Vielfältige Herausforderungen, vielfältige Lösungen
Zusammenfassend scheint der Einfluss der Corona-Pandemie auf die Arbeit der Seniorenbüros von Standort zu Standort stark zu variieren. Je nach Stadtgröße, Organisationsform, Personalstruktur u.a. gibt es mal mehr, mal weniger Handlungsspielraum. Doch zeichnet sich ebenso der Wunsch, die Pandemie nicht einfach „auszusitzen“, sondern innerhalb des jeweiligen Rahmens aktiv zu gestalten. Die Herangehensweisen waren hier ebenso vielfältig wie die Wahrnehmungen.
Die gesammelten Antworten stimmen zuversichtlich: einige der genannten Strategien setzen genau an den Problemen an, die an anderen Standorten die Seniorenarbeit lahmlegen. Insbesondere im Bereich der Digitalisierung scheint es innerhalb der Befragten eine recht große Vielfalt von kleineren und größeren Fragezeichen zu geben, die durch die erfolgreichen Ansätze anderer praxisnah beantwortet werden könnten. Für die kommenden Wochen sollen entsprechend die verschiedenen Projekte im Detail dargestellt werden. Sie interessieren sich besonders für ein spezifisches Problemfeld? Schreiben Sie uns!